Momente der Selbstwerdung von Ruby Jana Sircar
Farben und Zahlen wurden schon immer heilende, einflussnehmende und magische Fähigkeiten zugesprochen. Die Verbindung von der richtigen Farbe mit der richtigen Zahl als Auslöser: in mystisch-magischer Materie. Ein schönes Beispiel hiervon ist die das Stadium in dem sich die beiden Antennengalaxien im Sternbild Rabe (lat. Corvus) befinden: dem Starbuststadium. Was ist ein Starbuststadium? Starbusts entstehen durch das Verschmelzen von Galaxien und den Gasströmungen zwischen ihnen. Durch das Verschmelzen entstehen massereiche Sternhaufen. Es entstehen Sternwinde, eine Geburt einer Supernova kann entstehen - die Galaxie heizt sich so stark auf, dass sie einen Superwind entlässt. Es ist also die Geburt einer beeindruckenden großen Masse und Macht im ultravioletten Farbspektrum. Die Berechnung dieser Farbe und Macht im interstellaren Raum, die Gewalt mit der sich Masse materialisiert und die Zeit in der eine Galaxie schwanger geht sind immens.
Die Starbustgalaxie die der Erde am nächsten ist, im Sternbild Kassiopeia, ist die IC10. Sie hat eine Radialgeschwindigkeit von −(384 ± 1) km/s. Ich frage mich was die Radialgeschwindigkeit bei der Materialisierung eines menschlichen Wesens, wenn es sich verphysischt in einer Schwangerschaft beträgt? Immerhin sehen junge Sterne im Staub des Starbust auch kaum etwas und was sie wahrnehmen und wie sie wahrgenommen werden ist auch rein violett. Kinder werden durch die Haut ihrer Mutter wahrgenommen und sehen die Welt auch durch diese und die rhythmisch schlagenden Organe und den sich bewegenden Blutkreislauf ihrer Mutter. Alles ist violett. Und nach der Geburt fühlen sie sich im violetten Raum immer noch am wohlsten und geborgensten, sowie in einem Raum der ihnen den Rhythmus des Blutflusses der Mutter vorgaukelt.
Pulsierend, Materie ionisierend, Strahlung zu Raum verdichten. Jede Wesenheit scheint ähnlichen Rhythmen in ihrer Entstehung zu folgen: sei dies nun bei einer Sternenentstehung, der Entstehung einer Pflanze in einem Samen oder bei einer menschlichen Schwangerschaft.
Bienen welche die Fruchtknoten und Honigspende einer Blüte, einer schwangeren Pflanze, erkennen sehen dies stärker als wir: die Pflanze und die Schwangerschaft werden konkret als violett wahrgenommen. Unser Blick sieht zwar eine Farbpracht, aber entgeht uns das Wesentliche: das Violett und der Staub der zur Schwangerschaft gehören. Als ich die Arbeiten von Sophie Utikal zu Schwangerschaft und Geburt zum ersten Mal sah vielen mir die entstehenden jungen Sterne im Starbust ein. Sie strahlen stark im ultravioletten Bereich und ziehen große Teile der Sternenmaterie leuchtend zusammen.
Ihre Arbeiten die von einer Schwangerschaft berichten zeigen ganz konkret den weiblichen Körper der sich auf eine Mutterschaft vorbereitet, aber auch abstraktere Verbindungen zwischen dem werdenden Mutterkörper und einer größeren Umwelt, die zwischen mystischen Wesen und imaginierten Begleitmustern zu schwellen scheint. Keine Schwellung im nur körperlichen Bereich der Mutter, sondern eine Schwelle in eine neue Welt.
Die Wunder der Schwangerschaft und das sich bildenden Leben kann noch so einfach wissenschaftlich erklärbar sein, aber die Frage die sich trotz allem auftut ist: warum fällt es uns so schwer bis heute den konkreten Moment der Materialisierung zu beschreiben? Den Punkt an dem der sich drehende Sternenstaub zu einem Stern formt, an dem wir einem Menschen zugestehen Mensch zu sein?
Ab welchem Moment innerhalb der Schwangerschaft löst sich der Sternenstaubhaufen, die Ansammlung von Atomen in einen Zustand auf den wir als Leben bezeichnen? In Sofie Utikals Arbeit scheint dieser Umstand klar kommuniziert, zwischen einem offenen Fenster, einer Linie, einer Ansammlung von Strahlen die ihre eigene Geschichte malerisch abstrakt erfahrbar machen. Die Verbindungen zwischen einem Tiger, einer Schlange, Sternen und dem ultravioletten Blick einer Biene herstellen. Ein Universum findet sich hier wieder, nicht nur eine Galaxie.
Ich bin verzaubert - die mythischen Geschichten zwischen der Bienenkönigin die ihr ganzes Volk und Urwälder am Leben erhält, in dem die Schwangerschaft ein ständiger Zustand ist, der nie zur Geburt führt, sondern von einer Befruchtung zur nächsten. Wer oder was ist die Bienenkönigin? - Ich sehe in Sophie Utikals Arbeiten nicht die abwertende antifeministische Bienenkönigin, sondern die großen Frauengestalten welche das Bienenvolk vom Hive zum Coven führen. Einen freien Ort schaffen. Zur Hexenküche. Die Idee einer Bienenkönigin als Unterdrückerin wurde in den 1970er Jahren von männlichen Anthropologen wie Sandberg geprägt, um emotionalen und empathischen Support zwischen Frauen zu unterdrücken. Das hier geschaffene Bild ist vor allem ein sehr westlich-sexistisches. In nicht-westlichen Diskursen wird die Bienenkönigin vor allem als Schafferin für feministische Räume und Inklusion gesehen, wie zum Beispiel bei Gauthier und Lefevre (2013). Hier wird die Bienenkönigin ganz klar als weibliche Machtposition angenommen, die ihre Völker fördert und beschützt, gegenüber zerstörerischen Naturgewalten.
Eine Welt wird neben der anderen geschaffen und die Geburt ist nicht notwendig - die Schwangerschaft als ein in sich geschlossenes System von unzähligen Lebenskreisläufen. Eine Bienenkönigin die als Göttin indigener Geschichten auftaucht, aber auch von islamischen, hinduistischen und anderen religiösen Erzählungen annektiert wurde. Eine Bienenkönigin welche die Urgewalten beherrscht - den Tiger als Gefährten zum Erhalt des Urwalds, der Natur und des Gleichgewichts zwischen Welt und Wald benötigt.
In Sophie Utikals Arbeiten ist nicht unbedingt klar wer alles zur Schwangerschaft beiträgt und diese gestaltet - äußere Umstände? Der Körper einer Mutter? Die Sternenschauer? Eine Urschlange die genauso gut die Erklärung einer elliptischen DNA-Bewegung einer Antennengalaxie sein könnte? Die Leichtigkeit des textilen Materials mit dem sie arbeitet und die Vielschichtigkeit die sie scheinbar einfach anordnet eröffnen großzügige Interpretationsräume, die zur eigenen Kopfkinoschwangerschaft beitragen. Neben der Bienenkönigin und der Antennengalaxie werden auch noch Zahlenanordnungen genutzt die wir, ebenso wie die Farbe violett als Urmutterparameter wahrnehmen. Sophie Utikals Arbeiten sind auch deshalb stark, weil sie sich ganz klar gegen den Herbergskörper der aristotelischen Geschlechterordnung aussprechen: während selbst in der neueren und neuesten politischen Vergangenheit der letzten neunzig Jahre die Schwangerschaft oft innerhalb dieser reproduktiven und bindenden Frauenrollen antizipiert wurde. Zum Beispiel während der NS-Zeit, aber auch bei der Neuen Rechten in Italien oder im deutschsprachigen Raum. In Italien wurde das Familienministerium so in ein Geburtenministerium umbenannt. Rechte Anti-Feministinnen wie Caroline Sommerfeld sehen die Schwangerschaft als eine Pflicht des Frauenkörpers. Ich sehe es als eine Pflicht die Schwangerschaft, auch im feministischen Bewusstsein, nicht auf die Reproduktion, sondern als gesellschaftliche und auto-Care Aufgabe wahrzunehmen, ganz im Sinn der post-pornografischen Künstlerin Maria Llopis.
Dank Maria Llopis und Sonja Eismann wird eine feministische Bewegung der ersten Welle wieder aufgenommen. Das erste bekannte Selbstporträt einer Schwangeren stammt so von Paula Modersohn-Becker (1906), die sich nicht wie Beyoncé (2017) wieder madonnenartig von einem Mann porträtieren lässt. Nicht nur eine Pose a la Maria Lactans, welche die Mutter in ihrer Macht darstellen, sondern eine schwangere Frau – das ist feministische Selbstbestimmung im Körper und in der Eigendarstellung.
Das Brechen in der Kunst mit der Übermutterdarstellung, der Madonneninszenierung, ist wahrhaft schwierig und auch das sich Eingestehen, dass eine Schwangerschaft für die meisten Künstler:innen immer noch eine Einschränkung in der Wahrnehmung bedeutet auch. In der Kunst sind deshalb neue Vorbilder von Nöten. Dringend. Insbesondere in der westlichen Kunst. Beispiele in der Formensprache wie von Sophie Utikal genutzt sind deshalb gute Wegbereiter:innen mit den Erwartungen an Reproduktion und Markt zu brechen.
Schwangerschaft als eigenständiger und unabhängiger Moment der Selbstwerdung, der gleichzeitig mehrere Leben umfasst. Ein zukünftiges, eines das im Hier und jetzt schon zwei Körperlichkeit umfasst und eines das in die Vergangenheit der beiden rückführt. Drei Leben Mutter, Kind und zukünftige Enkel in einer Schöpfungsphase. Vier Leben von der Großmutter bis hin zum Urenkel, die alles verwoben und gemeinsam Informationen austauschen - Nicht unbedingt in einem Kreislauf, sondern vielmehr in Meteoriten- und Flammenschauern, entnommen aus dem Fell des Tigers bei Sophie Utikal. Der Tiger zwischen den Frauenkörpern, die Flammen die ein neues Wesen erstrahlen lassen. Ein Paradies durchs Fenster, einem Fenster im gleichen Raum.
Die Formensprache die Sophie Utikal nutzt ist einerseits intim, so dass sie Urtöne und -begriffe beim Lesenden und Betrachtenden ansprechen, andererseits so universal weltenumfassend, dass sie Verschlingen. Es ist vorstellbar, dass man sich dann wiegend im Blutkreislauf auflöst, in Sicherheit im Violett wiegt und gleichzeitig in den Flammen und Tropfen auf der Außenseite des schwangeren Körpers materialisiert. Die Schönheit des Seins auf der Außenseite und im Austausch zwischen einem Baum, der aussieht als sei er Teil eines größeren Walds, einem Organismus der sich wiegt und das Pulsieren der inneren Bahnen nach außen trägt birgt Schönheit. Eine Schönheit die sich wieder auflöst in Blüten- und Wolkenranken zwischen den Schwangeren, zwischen Generationen und einem Netzwerk von Wissen zwischen den einzelnen bildnerischen Einheiten, Gestalten und mythischen Symbolen.
Sophie Utikal lässt es dem betrachtenden Auge offen, ob die Beschreibungen und Symbole zugeordnet werden oder als allgemeingültige Träger gedeutet werden. Sie schreibt nicht vor aus welcher kulturellen Prägung und aus welchem Wissen geschöpft wird um ihre Arbeiten wahrzunehmen. Sie eröffnet einfach Welten, mit denen das Gegenüber der Arbeiten dann gedanklich und emotional schwanger gehen darf. Eine Einladung körperliches Wissen zu erfahren und zu erkunden. Schwangerschaft als transzendenter Moment zwischen unterschiedlichen Lebensrealitäten und kulturellen Prägungen. Die Erfahrung welche die Künstlerin uns bietet ist nicht festgelegt durch Kapital- und Materialerfahrungen unseres engen kulturellen Lebensrahmens, sondern geht darüber hinaus. Es ist eine Einladung an ein grundlegendes Verständnis: jedes Wesen, wir, sind im Zustand der Schwangerschaft am nächsten zu einem kollektiven und umfassenden emphatischen Sein. Unserem ursprünglichsten. Dem Moment des Entstehens.
Momente der Selbstwerdung von Ruby Jana Sircar
Farben und Zahlen wurden schon immer heilende, einflussnehmende und magische Fähigkeiten zugesprochen. Die Verbindung von der richtigen Farbe mit der richtigen Zahl als Auslöser: in mystisch-magischer Materie. Ein schönes Beispiel hiervon ist die das Stadium in dem sich die beiden Antennengalaxien im Sternbild Rabe (lat. Corvus) befinden: dem Starbuststadium. Was ist ein Starbuststadium? Starbusts entstehen durch das Verschmelzen von Galaxien und den Gasströmungen zwischen ihnen. Durch das Verschmelzen entstehen massereiche Sternhaufen. Es entstehen Sternwinde, eine Geburt einer Supernova kann entstehen - die Galaxie heizt sich so stark auf, dass sie einen Superwind entlässt. Es ist also die Geburt einer beeindruckenden großen Masse und Macht im ultravioletten Farbspektrum. Die Berechnung dieser Farbe und Macht im interstellaren Raum, die Gewalt mit der sich Masse materialisiert und die Zeit in der eine Galaxie schwanger geht sind immens.
Die Starbustgalaxie die der Erde am nächsten ist, im Sternbild Kassiopeia, ist die IC10. Sie hat eine Radialgeschwindigkeit von −(384 ± 1) km/s. Ich frage mich was die Radialgeschwindigkeit bei der Materialisierung eines menschlichen Wesens, wenn es sich verphysischt in einer Schwangerschaft beträgt? Immerhin sehen junge Sterne im Staub des Starbust auch kaum etwas und was sie wahrnehmen und wie sie wahrgenommen werden ist auch rein violett. Kinder werden durch die Haut ihrer Mutter wahrgenommen und sehen die Welt auch durch diese und die rhythmisch schlagenden Organe und den sich bewegenden Blutkreislauf ihrer Mutter. Alles ist violett. Und nach der Geburt fühlen sie sich im violetten Raum immer noch am wohlsten und geborgensten, sowie in einem Raum der ihnen den Rhythmus des Blutflusses der Mutter vorgaukelt.
Pulsierend, Materie ionisierend, Strahlung zu Raum verdichten. Jede Wesenheit scheint ähnlichen Rhythmen in ihrer Entstehung zu folgen: sei dies nun bei einer Sternenentstehung, der Entstehung einer Pflanze in einem Samen oder bei einer menschlichen Schwangerschaft.
Bienen welche die Fruchtknoten und Honigspende einer Blüte, einer schwangeren Pflanze, erkennen sehen dies stärker als wir: die Pflanze und die Schwangerschaft werden konkret als violett wahrgenommen. Unser Blick sieht zwar eine Farbpracht, aber entgeht uns das Wesentliche: das Violett und der Staub der zur Schwangerschaft gehören. Als ich die Arbeiten von Sophie Utikal zu Schwangerschaft und Geburt zum ersten Mal sah vielen mir die entstehenden jungen Sterne im Starbust ein. Sie strahlen stark im ultravioletten Bereich und ziehen große Teile der Sternenmaterie leuchtend zusammen.
Ihre Arbeiten die von einer Schwangerschaft berichten zeigen ganz konkret den weiblichen Körper der sich auf eine Mutterschaft vorbereitet, aber auch abstraktere Verbindungen zwischen dem werdenden Mutterkörper und einer größeren Umwelt, die zwischen mystischen Wesen und imaginierten Begleitmustern zu schwellen scheint. Keine Schwellung im nur körperlichen Bereich der Mutter, sondern eine Schwelle in eine neue Welt.
Die Wunder der Schwangerschaft und das sich bildenden Leben kann noch so einfach wissenschaftlich erklärbar sein, aber die Frage die sich trotz allem auftut ist: warum fällt es uns so schwer bis heute den konkreten Moment der Materialisierung zu beschreiben? Den Punkt an dem der sich drehende Sternenstaub zu einem Stern formt, an dem wir einem Menschen zugestehen Mensch zu sein?
Ab welchem Moment innerhalb der Schwangerschaft löst sich der Sternenstaubhaufen, die Ansammlung von Atomen in einen Zustand auf den wir als Leben bezeichnen? In Sofie Utikals Arbeit scheint dieser Umstand klar kommuniziert, zwischen einem offenen Fenster, einer Linie, einer Ansammlung von Strahlen die ihre eigene Geschichte malerisch abstrakt erfahrbar machen. Die Verbindungen zwischen einem Tiger, einer Schlange, Sternen und dem ultravioletten Blick einer Biene herstellen. Ein Universum findet sich hier wieder, nicht nur eine Galaxie.
Ich bin verzaubert - die mythischen Geschichten zwischen der Bienenkönigin die ihr ganzes Volk und Urwälder am Leben erhält, in dem die Schwangerschaft ein ständiger Zustand ist, der nie zur Geburt führt, sondern von einer Befruchtung zur nächsten. Wer oder was ist die Bienenkönigin? - Ich sehe in Sophie Utikals Arbeiten nicht die abwertende antifeministische Bienenkönigin, sondern die großen Frauengestalten welche das Bienenvolk vom Hive zum Coven führen. Einen freien Ort schaffen. Zur Hexenküche. Die Idee einer Bienenkönigin als Unterdrückerin wurde in den 1970er Jahren von männlichen Anthropologen wie Sandberg geprägt, um emotionalen und empathischen Support zwischen Frauen zu unterdrücken. Das hier geschaffene Bild ist vor allem ein sehr westlich-sexistisches. In nicht-westlichen Diskursen wird die Bienenkönigin vor allem als Schafferin für feministische Räume und Inklusion gesehen, wie zum Beispiel bei Gauthier und Lefevre (2013). Hier wird die Bienenkönigin ganz klar als weibliche Machtposition angenommen, die ihre Völker fördert und beschützt, gegenüber zerstörerischen Naturgewalten.
Eine Welt wird neben der anderen geschaffen und die Geburt ist nicht notwendig - die Schwangerschaft als ein in sich geschlossenes System von unzähligen Lebenskreisläufen. Eine Bienenkönigin die als Göttin indigener Geschichten auftaucht, aber auch von islamischen, hinduistischen und anderen religiösen Erzählungen annektiert wurde. Eine Bienenkönigin welche die Urgewalten beherrscht - den Tiger als Gefährten zum Erhalt des Urwalds, der Natur und des Gleichgewichts zwischen Welt und Wald benötigt.
In Sophie Utikals Arbeiten ist nicht unbedingt klar wer alles zur Schwangerschaft beiträgt und diese gestaltet - äußere Umstände? Der Körper einer Mutter? Die Sternenschauer? Eine Urschlange die genauso gut die Erklärung einer elliptischen DNA-Bewegung einer Antennengalaxie sein könnte? Die Leichtigkeit des textilen Materials mit dem sie arbeitet und die Vielschichtigkeit die sie scheinbar einfach anordnet eröffnen großzügige Interpretationsräume, die zur eigenen Kopfkinoschwangerschaft beitragen. Neben der Bienenkönigin und der Antennengalaxie werden auch noch Zahlenanordnungen genutzt die wir, ebenso wie die Farbe violett als Urmutterparameter wahrnehmen. Sophie Utikals Arbeiten sind auch deshalb stark, weil sie sich ganz klar gegen den Herbergskörper der aristotelischen Geschlechterordnung aussprechen: während selbst in der neueren und neuesten politischen Vergangenheit der letzten neunzig Jahre die Schwangerschaft oft innerhalb dieser reproduktiven und bindenden Frauenrollen antizipiert wurde. Zum Beispiel während der NS-Zeit, aber auch bei der Neuen Rechten in Italien oder im deutschsprachigen Raum. In Italien wurde das Familienministerium so in ein Geburtenministerium umbenannt. Rechte Anti-Feministinnen wie Caroline Sommerfeld sehen die Schwangerschaft als eine Pflicht des Frauenkörpers. Ich sehe es als eine Pflicht die Schwangerschaft, auch im feministischen Bewusstsein, nicht auf die Reproduktion, sondern als gesellschaftliche und auto-Care Aufgabe wahrzunehmen, ganz im Sinn der post-pornografischen Künstlerin Maria Llopis.
Dank Maria Llopis und Sonja Eismann wird eine feministische Bewegung der ersten Welle wieder aufgenommen. Das erste bekannte Selbstporträt einer Schwangeren stammt so von Paula Modersohn-Becker (1906), die sich nicht wie Beyoncé (2017) wieder madonnenartig von einem Mann porträtieren lässt. Nicht nur eine Pose a la Maria Lactans, welche die Mutter in ihrer Macht darstellen, sondern eine schwangere Frau – das ist feministische Selbstbestimmung im Körper und in der Eigendarstellung.
Das Brechen in der Kunst mit der Übermutterdarstellung, der Madonneninszenierung, ist wahrhaft schwierig und auch das sich Eingestehen, dass eine Schwangerschaft für die meisten Künstler:innen immer noch eine Einschränkung in der Wahrnehmung bedeutet auch. In der Kunst sind deshalb neue Vorbilder von Nöten. Dringend. Insbesondere in der westlichen Kunst. Beispiele in der Formensprache wie von Sophie Utikal genutzt sind deshalb gute Wegbereiter:innen mit den Erwartungen an Reproduktion und Markt zu brechen.
Schwangerschaft als eigenständiger und unabhängiger Moment der Selbstwerdung, der gleichzeitig mehrere Leben umfasst. Ein zukünftiges, eines das im Hier und jetzt schon zwei Körperlichkeit umfasst und eines das in die Vergangenheit der beiden rückführt. Drei Leben Mutter, Kind und zukünftige Enkel in einer Schöpfungsphase. Vier Leben von der Großmutter bis hin zum Urenkel, die alles verwoben und gemeinsam Informationen austauschen - Nicht unbedingt in einem Kreislauf, sondern vielmehr in Meteoriten- und Flammenschauern, entnommen aus dem Fell des Tigers bei Sophie Utikal. Der Tiger zwischen den Frauenkörpern, die Flammen die ein neues Wesen erstrahlen lassen. Ein Paradies durchs Fenster, einem Fenster im gleichen Raum.
Die Formensprache die Sophie Utikal nutzt ist einerseits intim, so dass sie Urtöne und -begriffe beim Lesenden und Betrachtenden ansprechen, andererseits so universal weltenumfassend, dass sie Verschlingen. Es ist vorstellbar, dass man sich dann wiegend im Blutkreislauf auflöst, in Sicherheit im Violett wiegt und gleichzeitig in den Flammen und Tropfen auf der Außenseite des schwangeren Körpers materialisiert. Die Schönheit des Seins auf der Außenseite und im Austausch zwischen einem Baum, der aussieht als sei er Teil eines größeren Walds, einem Organismus der sich wiegt und das Pulsieren der inneren Bahnen nach außen trägt birgt Schönheit. Eine Schönheit die sich wieder auflöst in Blüten- und Wolkenranken zwischen den Schwangeren, zwischen Generationen und einem Netzwerk von Wissen zwischen den einzelnen bildnerischen Einheiten, Gestalten und mythischen Symbolen.
Sophie Utikal lässt es dem betrachtenden Auge offen, ob die Beschreibungen und Symbole zugeordnet werden oder als allgemeingültige Träger gedeutet werden. Sie schreibt nicht vor aus welcher kulturellen Prägung und aus welchem Wissen geschöpft wird um ihre Arbeiten wahrzunehmen. Sie eröffnet einfach Welten, mit denen das Gegenüber der Arbeiten dann gedanklich und emotional schwanger gehen darf. Eine Einladung körperliches Wissen zu erfahren und zu erkunden. Schwangerschaft als transzendenter Moment zwischen unterschiedlichen Lebensrealitäten und kulturellen Prägungen. Die Erfahrung welche die Künstlerin uns bietet ist nicht festgelegt durch Kapital- und Materialerfahrungen unseres engen kulturellen Lebensrahmens, sondern geht darüber hinaus. Es ist eine Einladung an ein grundlegendes Verständnis: jedes Wesen, wir, sind im Zustand der Schwangerschaft am nächsten zu einem kollektiven und umfassenden emphatischen Sein. Unserem ursprünglichsten. Dem Moment des Entstehens.